Antisemitismus an Gedenkstätten: Kooperation zwischen RIAS und dem Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb

Antisemitismus an Gedenkstätten: Kooperation zwischen RIAS und dem Gedenkstättenverbund Gäu-Neckar-Alb
Am 30. April 2025 kam es zu einem gemeinsamen Austausch zwischen Mitarbeiter*innen des Gedenkstättenverbundes Gäu-Neckar-Alb, den Vertreter*innen der Gedenkstätten Baisingen, Horb, Hechingen und Tübingen und der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (kurz RIAS). Auch die Geschichtswerkstatt Tübingen war mit Jessica Reichert vertreten. Der Geschäftsführer des Gedenkstättenverbunds und Vorstand der Geschichtswerkstatt, Martin Ulmer moderierte das Treffen. Es stand die Auseinandersetzung mit antisemitischen und rechtsextremen Vorfällen im Mittelpunkt. Ziel des Treffens war es, sich auszutauschen, Handlungsstrategien zu diskutieren und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu besprechen. Am Schluss des Treffens wurde von beiden Parteien eine Kooperationsvereinbarung unterschrieben.
Wachsender Antisemitismus im Alltag und an den Gedenkstätten
RIAS berichtete von einer Vielzahl an alltäglichen antisemitischen Vorfällen. Diese reichen über Beleidigungen im öffentlichen Raum über Sachbeschädigungen bis hin zu erhöhter Gewaltbereitschaft und Bedrohungen. Seit dem 7. Oktober 2023 – nachdem die Hamas im Süden Israels etwa 1200 Menschen getötet und 250 Personen entführt haben – stiegen in Deutschland die Anzahl an antisemitischen und rechtsextremistischen Angriffen. Wurden 2022 noch 2.616 antisemitische Vorfälle dokumentiert, waren es 2023 bereits 4.782. Auch an den Gedenkorten stiegen die Vorfälle an: 2023 wurden 112 antisemitische Vorkommnisse an Gedenkstätten von RIAS registriert.
RIAS versteht Antisemitismus als ein gesamtgesellschaftliches Strukturproblem. Die Betroffenen fühlen sich oft von der Polizei alleingelassen und melden oftmals die Vorfälle nicht. Die Arbeit von RIAS zielt daher darauf ab, Vorfälle zu dokumentieren, Betroffene zu beraten und das „Dunkelfeld“ Antisemitismus zu erhellen.
Beispiele aus dem Verbund
Martin Ulmer stellte während des Treffens konkrete antisemitische oder rechtsextreme Vorfälle aus den letzten zwei Jahre vor. So gab es in Hailfingen/Tailfingen im April 2023 rechtsextreme Parolen an der Gedenkstätte. In Hechingen wurde im Juni 2024 ein Fenster der Alten Synagoge eingeworfen und im Juli 2024 ein antisemitisches Graffiti entdeckt. Der Vorfall wurde von der Polizei als nicht politisch motiviert eingestuft. Auch in Tübingen gab es in den letzten zwei Jahren immer wieder Vorfälle: Im Frühjahr 2024 wurden antisemitische Schmierereien an einer Stele des Geschichtspfades zum Nationalsozialismus entdeckt. Auch die Stele am Schloss Tübingen wurden eindeutige völkische Begriffe, die mit Anführungszeichen versehen waren, immer wieder von einem Unbekannten übermalt.
Antisemitismuskritische Bildung und Aufklärung
RIAS empfiehlt als wichtigen Punkt eine antisemitismuskritische Bildung. Hier sollen gegenwärtigen Strukturen, Leerstellen und Perspektiven thematisiert werden. Selbstreflexion im pädagogischen Kontext müssen gefördert und Stereotypen sichtbar gemacht werden und für diese sensibilisiert werden. Dies ist gerade im schulischen Umfeld und der Erwachsenenbildung wichtig. Gedenkstättenmitarbeiter*innen brauchen Handlungsstrategien und ein Bewusstsein für Antisemitismus in seinen vielfältigen Formen.
Wie auch die Fortbildung von Martin Ulmer im Kepler-Gymnasium schon zeigte, ist der Bedarf nach solchen Angeboten wichtig, um in der Lage zu sein, antisemitischen Aussagen selbstbewusst entgegenzutreten.