Buchvorstellung: Mimi Schwartz: Gute Nachbarn, schlechte Zeiten

Buchvorstellung und Gespräch: Mimi Schwartz: Gute Nachbarn, schlechte Zeiten
Artur Löwengart, der Vater von Mimi Schwartz,
kam
dreißig Jahre vor dem Aufkommen der Nationalsozialisten in Rexingen zur Welt. „Damals“, so erzählte er später seiner
in den USA geborenen Tochter, „kamen wir
alle miteinander aus“.
Nach dem Tod ihres Vaters wollte Mimi Schwartz wissen, inwieweit menschlicher
Anstand unter Nachbarn während und nach der NS-Zeit noch Gültigkeit hatte. Sie
sprach mit Jüdinnen und Juden aus dem Dorf ihres Vaters in den USA und in
Israel. Sie besuchte Rexingen und Horb und interviewte christliche Zeitzeugen,
die erlebt hatten, wie ihre jüdischen Nachbarn ihr Heimatdorf verlassen mussten
oder deportiert wurden.
Aus den verschiedenen Aussagen ist ein Mosaik entstanden, das durch immer neue Nuancen ergänzt wurde. Das beharrliche, auch die eigenen Vorstellungen bezweifelnde Nachfragen der Autorin bei ihren Gesprächspartner*innen und bei sich selbst lässt uns an einer Entwicklung teilnehmen, die nicht abgeschlossen ist.
Zehn Jahre nach der amerikanischen Erstveröffentlichung ihres Buches erhielt Mimi Schwartz von Max Sayer aus Australien einen Brief. Er berichtete, dass er während der NS-Diktatur im Dorf ihres Vaters in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen war. Als Mitglied der Hitlerjugend hatte er die schlimme Zeit mit den Augen eines Jugendlichen gesehen. Das Buch von Mimi Schwartz war ihm Anlass, sein Erleben neu zu durchdenken.
In der neuen Auflage, die jetzt auf Deutsch vorliegt, verwebt Schwartz die Erinnerungen Sayers mit ihrem Text und beleuchtet die Geschichte nochmals aus einem neuen Blickwinkel, der unser Verständnis von Anstand und Dämonisierung weiter vertieft.
Das Buch ist im Mai im Verlag Hentrich und Hentrich erschienen. Ins Deutsche übertragen wurde es von der Tübinger Übersetzerin Cornelia Stoll.
Der Tübinger Rundfunksprecher Peter Binder liest einzelne Passagen aus dem Buch.
Mimi Schwartz spricht über ihr Erinnerungsprojekt mit dem Kulturwissenschaftler und Historiker Prof. Dr. Joachim Schlör, der ein Kenner der Emigrationsgeschichte schwäbischer Jüdinnen und Juden ist.
Beide stellen sich anschließend den Fragen des Publikums.
Der Eintritt ist frei.